25/04/2024

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Manchmal denke ich, deshalb könnte ich sein

[REZENSION]: Greg F. Gifune: Kinder des Chaos

Cover Festa: Greg Gifune: Kinder des Chaos

Inhalt: In einer verregneten Nacht begegnen die Jungen Phil, Jamie und Martin einem seltsamen Mann, dessen Körper über und über mit Narben bedeckt ist. Er scheint irgendwie mehr zu sein als nur ein Mensch … Und als der nächste Morgen graut, sind die Kinder zu Mördern geworden und ihre Schicksale haben sich für immer verdunkelt. 30 Jahre später wird Phil zu Martins Mutter gerufen. Sie erzählt, dass Martin seit Jahren geisteskrank ist und sich für einen Gott hält. Mit seinen Anhängern soll er in der Einsamkeit der mexikanischen Wüste leben und immer wieder Menschen töten, um mit ihrem Blut grausige Rituale zu vollziehen. Obwohl bereits mehrere angeheuerte Detektive verschwunden sind, bittet die todkranke Frau nun Phil, ihren Sohn zu finden und für ein letztes Wiedersehen nach Hause zu bringen …

Greg F. Gifune: Kinder des Chaos

Cover Festa: Greg Gifune: Kinder des Chaos(OT: Children of Chaos, 2009) Festa 06/2013; Horror Tb 1556; ISBN: 978-3-86552-205-4; Seiten: 394; Übersetzung: Alexander Rösch; Ausstattung: Nachwort des Autors, Taschenbuch, Lederoptik; Buch bei Festa: hier

Greg F. Gifune hat sich an ein literarisches Experiment gewagt, das er im Nachwort erklärt – und darum bitte das Nachwort, wie ohnehin schon der Name sagt, nachher lesen. Er hat in meinen Augen einen großen Erfolg gelandet. Wenn man einmal weiß, was er getan hat, ist es offensichtlich, beeindruckend und durchaus auch irgendwie witzig, wenn man das bei diesem Buch sagen kann.

Kinder des Chaos ist zum einen ein Roman über einen mörderischen Sektenführer auf einer Abwärtsspirale. Es ist ein Roman über einen verkorksten Selbstfindungstrip. Das Buch ist eine Reise ins Herz der Finsternis. Gifune inzeniert ein düsteres Bild des Wahnsinns und der Hoffnungslosigkeit, der Resignation und des Wartens auf die Erlösung durch den Tod.

Eine der überragenden Stärken des Autors ist, wie in all seinen Büchern auch hier, sein Gespür für Stimmung und herrje, er suhlt sich in Flutwellen von mordider, depremierender, selbstzerstörerischer Atmosphäre. Gifune schreckt natürlich nicht vor grausamen Schilderungen von Gewaltszenen zurück, vor der detaillierten Suhlerei in menschlichen Überresten. Aber weit dominanter und sehr wirkungsstark ist die Atmosphäre, die er verbreitet.

Die Tristesse, die zu einem nicht geringen Teil dem Geist der Hauptfigur entspringt, wird in diesem Roman geradezu körperlich spürbar. So wie Hitze, Schläge, Alkoholgeschmack, körperliches Unbehagen, Angst spürbar erscheinen. Gifune bringt alles, was dazu angetan ist, Unbehagen zu bereiten, gekonnt und effektiv ins Spiel.

Zwar ist schon der Anfang ziemlich niederschmetternd, weil er keinen Zweifel daran offenlässt, dass das Geschehen auf den ersten Seiten üble Folgen haben wird, doch dann sprint die Handlung von der Kindheit ins Erwachsenenalter weiter und der Leser bekommt so richtig gezeigt, wie beschissen die Nachwirkungen sind. Bei Gifune ist das kein aufgesetztes Stilmittel, sondern überaus glaubhaft und logisch.

Und von da an setzt er nach und nach noch eins drauf, reißt seine Figuren immer tiefer in die Scheiße, beziehungsweise zieht sie kurz heraus, um sie Luft schnappen zu lassen, ehe sie wieder in ihr Elend eingetunkt werden.

Das er über diese miserablen Befindlichkeiten nicht darauf vergisst, auch eine spannende Geschichte zu erzählen – wobei er wieder keinen Zweifel daran lässt, dass es zwingend zu Gewaltakten kommen muss – das macht die Tristesse erträglicher.

Wobei er immer offen lässt, ob die Dinge wirklich so sind, wie sie sich nach und nach herauskristallisieren, oder ob wir dem zunehmenden Wahnsinn des Protagonisten folgen. Leicht zu entscheiden, was Wahn und was Wirklichkeit ist, macht es Gifune seinen Lesern nicht. Er ist teuflisch geschickt darin, Irritation zu säen.

So kommt es, dass der Leser einen überaus düsteren Horrortrip mitmacht, ohne ein einziges Mal einen kleinen Moment des Lächelns zu erfahren, es gibt keine Erleichterung, keinen Hoffnungsschimmer, keine Freude. Und wenn du glaubst, es geht nicht mehr, kommt nochmal Gifune daher.

Er verpasst dem Buch eine schallende Ohrfeige von Schluß.

Es wäre natürlich interessant zu wissen, wie viele Leser am Ende des Nachtworts eine »Ah ja!« Erkenntnis haben. Ich jedenfalls bin dagesessen und habe mich gefragt, warum ich Depp bei der Lektüre nichts davon bemerkt habe, wo es eigentlich ganz offensichtlich ist – in doppelter Hinsicht sogar. So, genug sekkiert ;-)

Kinder des Chaos ist ein starkes Buch, das von seiner beinahe autobigrafisch anmutenden Glaubwürdigkeit, der Düsternis und den hoffnungslosen Charakteren lebt und von Anfang bis Ende konsequent auf das unvermeidbare Desaster zustreibt.

Kurz gesagt:

  • starke Atmosphäre
  • sehr authentische Schilderungen
  • spannend und konsequent

Fazit: mörderisch guter Thriller


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