28/03/2024

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Manchmal denke ich, deshalb könnte ich sein

[FANTASTIC ART]: Hannes Bok, tragischer Meister …

Hannes Bok
Hannes Bok, Titelbild-Künstler, Illustrator, Meister mit destruktiver Neigung ... ein Gastbeitrag von Robert M. Christ ...

Gastbeitrag von Robert M. Christ

Vorbemerkung: Robert M. Christ, geb. 1947, ist seit Jahrzehnten im Fandom umtriebig und von dort nicht wegdenkbar. Beschäftigt sich seit den frühesten Jahren mit SF-Autoren und Künstlern, war in den 1980er und 1990er Jahren aktiver Gestalter von Super-8 Filmen, später Video, für u.a. die Wiener SF-Gruppe. Er ist bei den Treffen der SFGW ebenso anzutreffen wie aktiv beim Verein der Freunde der Volksliteratur. Für deren Vereinsmagazin verfasst er seit Jahren in Abständen Beiträge und Artikel. Eine Auswahl davon soll an dieser Stelle einem größeren Publikum präsentiert werden.

Der Beitrag über Hannes Bok ist eine zweite Veröffentlichung (zugleich eine Erstveröffentlichung online) nach der Erstpublikation als Hannes Bok, ein ungewöhnlicher Meister phantastischer Kunst, im Vereinsmagazin der FdV. Für diese Neuveröffentlichung wurde der Text in Form und Stil angepasst, die Links wurde aktualisiert und ergänzt. Inhaltlich hat es keine Änderung gegeben. Alleiniger Autor des Artikels ist Robert M. Christ.

Beiträge von Robert Christ: über Fritz Leiber – über Clark Asthon Smith – über Gustav Meyrink – über Alfred Bester – über Dashiell Hammett – über Captain Future – über Virgil Finaly – über die Weird Tales – über Lonati – über Hannes Bok –  über Der Orchideengarten – über Jack Williamson – über Johnny Bruck – über Margaret Brundage … weitere Beiträge folgen …


Von Robert M. Christ

In den 1930er und 1940er Jahren startete eine Legion hochbegabter Illustratoren in verschiedensten Bereichen der Unterhaltungsliteratur den Versuch, einer interessierten Leserschaft diverse Pulp-Magazine durch herausragend gestaltete, farbige Titelbilder und Innenillustrationen besonders schmackhaft zu machen.

Hannes BokHannes Bok zählte dabei zu den bedeutendsten und vielseitigsten Küntlern im Bereich der Phantastik, Fantasy und Science Fiction, was nicht zuletzt seinem unverwechselbaren, einfallsreichen Zeichenstil zu verdanken war.

Er schuf etwa 150 farbige Titelbilder und über 600 schwarz/weiß Illustrationen für eine große Anzahl amerikanischer Fantasy – und Science Fiction Magazine.

Hannes Bok, Pseudonym von Wayne Francis Woodard, wurde am 2. Juli 1914 in Kansas City, Missouri geboren. Als er fünf Jahre alt war, ließen sich seine Eltern scheiden und er lebte in den folgenden Jahren bei seinem Vater und der jungen Stiefmutter, die seine frühen künstlerischen Aktivitäten wesentlich behinderten.

Nach Beendigung seines Studiums an der High School verließ Hannes Bok sein Zuhause und zog zu seiner MutterHannes Bok Julia nach Seattle. Nach einer einjährigen, künstlerischen Ausbildung im Jahre 1932 begann er seine Karriere mit der Veröffentlichung einer Anzahl von Illustrationen in Fanmagazinen im Fandom von Seattle.

Auf diesem Weg kam er auch zu seinem Pseudonym, einer phonetischen Ableitung des Namens des Komponisten Johann Sebastian Bach.

Noch im Jahr 1932 lernte Bok den Schriftsteller und späteren Herausgeber Emil Petaja kennen, mit dem ihn eine lebenslange Freundschaft verband. Petaja‘s erstes Buch, Brief Candle, ein Privatdruck mit einer Auflage von 50 Exemplaren, beinhaltete zwölf Gedichte und zwölf Illustrationen von Hannes Bok.

1937 zogen Hannes Bok und Emil Petaja nach Los Angeles. In der dortigen SF-Szene lernte Bock unter anderem den damals noch unbekannten, gerade mal neunzehn Jahre alten Ray Bradbury (Fahrenheit 451, Mars-Chroniken, Der Illustrierte Mann) kennen. Er schloß auch Bekanntschaft mit Schriftstellern wie Henry Kuttner (Die Zeitfalle, Lord der dunklen Welt, Alle Zeit der Welt) oder dem bedeutendsten und größten Sammler von SF, Fantasy und Horror-Literatur, Forrest J. Ackerman.

Hannes BokSein kurzer Aufenthalt in Los Angeles wird im künstlerischen Bereich aus heutiger Sicht als besonders fruchtbar bezeichnet. In diesem Zeitraum gestaltete Bok u.a. vier Titelbilder für Ray Bradbury‘s Fan-Magazin Futuria Fantasia.

Schon 1939 zog Bok nach einem Kurzaufenthalt in Seattle weiter nach New York. Der Redaktur des populären Pulp-Magazins Weird Tales, Farnsworth Wright, erkannte sein Talent und Bok debüzierte in der Ausgabe vom Dezember 1939 mit seiner ersten bezahlten Arbeit.

In den darauf folgenden Jahren veröffentlichten Pulp-Magazine wie Famous Fantastic Mysteries, Amazing Stories, Other Worlds, Super Science Hannes BokStories, Fantasy Fiction, Cosmic Science Fiction, Stirring Science Stories, Uncanny Tales, Future Science Fiction oder Planet Stories eine große Anzahl seiner Titelbilder und s/w Illustrationen.

In den späten 1940er Jahren gelang es dem Künstler, durch die Veröffentlichung eindrucksvoller, farbiger Buchumschläge in kleinen Verlagen wie Arkam House, Gnom Press, Shasta Publisher oder Fantasie Press, die Leser und Sammler für sich einzunehmen.

Hannes Bok wurde oftmals als ein durch die Renaissance beeinflusster Künstler beschrieben. Orientalische und klassische Märchenmotive, humorvolle Groteske und üppige, erotische Romantik waren in seinen ausdrucksstarken, plastisch wirkenden Bildern häufig anzutreffen.

Die Farben erreichten durch den Einsatz eines speziellen, aufwendigen Verglasungsprozesses einen leuchtenden Effekt, den er bei seinem Vorbild und Mentor Maxfield Parrish (1877-1966) kennengelernt hatte.

Boks stark stilisierte, s/w Illustrationen mit ihren kantigen, fast byzantinisch wirkenden, menschlichen Figuren und bizarr erscheinenden Monstern fanden zahlreiche Bewunderer.

Hannes Bok caught the fantstic spirit better than any one. His highly individualität, stylized pictures, his gentle halftones, seem literally out of this world. (Franz Rottensteiner, The Science Fiction Book , 1975).

Das Schnitzen von Holzfiguren, die Beschäftigung mit der Lithographie, der Fotographie, der Bildhauerei und die Herstellung von Masken aus Pappmache erweiterte seine künstlerische Tätigkeit.

Seine homosexuelle Neigung spiegelte sich in einer Vielzahl seiner für diese Zeit ungewöhnlichen, mit homoerotischen Untertönen versehenen Skulpturen und bildlichen Darstellungen wider.

Sein literarisches Talent begann zu Beginn der 1940er Jahren erstmals auf fruchtbaren Boden zu fallen. Im Zeitraum von 1942 bis 1951 veröffentlichten die Weird Tales zwei seiner Gedichte und fünf Kurzgeschichten.

Er schrieb für Science Fiction Quarterly in der Sommer-Ausgabe 1942 den Fantasy-Roman Starstone World.

Hannes BokThe Scorcerer’s Ship erschien erstmals im Dezember 1942 in John W. Campbells legendären Fantasy Magazin Unknown.

Seine 1948 erschienene Erzählung Beyond the Golden Stairs wurde, gemeinsam mit The Sorcerer’s Ship, in späteren Jahren überarbeitet und als Taschenbuch wieder publiziert.

The Blue Flamingo, eine weitere bekannte Erzählung wurde erstmals im Jänner 1948 in Startling Stories veröffentlicht. Hannes Bok wurde die Erlaubnis erteilt, Abraham Meritt’s unvollendete Romane The Blue Pagoda (1946), The Fox Woman und The Black Wheel (1947) literarisch zu vollenden.

1953 wurde Bok als erster professioneller Künstler im Bereich der Fantasy und Science Fiction mit dem Hugo Award ausgezeichnet.

Nach dem Ende der Pulp-Magazine, die letzten wurden 1953-1954 eingestellt, setzte Hannes Bok durch die Publikation von neuen, zumeist kleinformatigen SF-Magazinen wie The Magazine of Fantasy and Science Fiction, Imagination, Fantasy Magazine, Science Stories und Worlds of IF, seine zunehmend verringerte Tätigkeit als Illustrator und Gestalter von Titelbildern fort.

In seinen letzten Jahren wurde er auf selbstzerstörerische Art für Meinungsverschiedenheiten mit Redakteuren anfällig, deren Ursache hauptsächlich in künstlerischen Themen und finanziellen Problemen zu suchen waren.

Hannes BokBok zog sich zurück, interessierte sich zunehmend für Astrologie und Okkultismus, eine Beschäftigung, die zur Besessenheit ausartete, während er gelegentlich Artikel für das Mystic Magazine verfasste.

Hatte er in früheren Jahren die klassische Musik von Johann Sebastian Bach und die Filmmusik des aus Wien stammenden Komponisten Max Steiner (King Kong, Vom Winde verweht, Casablanca) bevorzugt, so fand er nun am finnischen Komponisten Jean Sibelius Gefallen, mit dem er längere Zeit korrespondierte.

Hannes Bock führte in seiner mit Kunstwerken gefüllten Wohnung in Manhattan ein eremitisches Dasein. Besuche von Freunden wurden immer spärlicher und blieben zuletzt ganz aus, Enttäuschungen trübten seine Lebensfreude. Geblieben waren ihm nur seine geliebten Bücher, seine Kunstsammlung und die Musik.

Nach jahrelanger schlechter Ernährung und einer Verschlechterung seines gesundheitlichen Zustands starb er in der Nacht vom 11. April 1964 einsam und verlassen im Alter von 49 Jahren an einem Herzinfarkt.

Except for Christmas cards, I had no further contact with Hannes the last two years of his life (Gerry de la Ree, Kunstsammler und Publizist).

Im November 1963 veröffentlichte The Magazine of Fantasy & Science Fiction als beidseitiges Titelbild Hannes Boks letzte bedeutende Farbillustration zu Roger Zelazny’s Erzählung A Rose for Ecclesiastes.

1967 gründete Emil Petaja die Bokanalia Memorial Foundation, eine Stiftung, die es ermöglichte, Hannes Boks umfangreiches Werk wieder zu veröffentlichen.

Ab 1967, bis 1970, veröffentlichte Emil Petaja aus seiner persönlichen Sammlung schriftlicher und bildnerischer Werke mehrere beachtenswerte Portfolio-Ausgaben wie And Flights of Angels, The Life and Legend of Hannes Bok.

1972 folgte Spinner of Silver and Thistle, ein bemerkenswertes Buch mit frühen Gedichten, Erzählungen und einer Auswahl seiner besten Illustrationen. Unter den zahlreichen nachfolgenden Büchern über Bok sei besonders auf Gerry de la Ree und die beiden s/w Bildbände A Hannes Bok Sketchbook (1976) und Beauty and the Beast, The Art of Hannes Bok (1978) hingewiesen.

Es folgte die von Stephen D. Korshak publizierte Bildbände A Hannes Book Treasury (1993) und A Hannes Bok Showcase (1995), mit etlichen seltenen und eindrucksvollen Abbildungen ausgestattet. Abschließend sei noch auf den von Joseph Wrzos publizierten Band Hannes Bok, A Life in Illustration (2011) hingewiesen.

The work survives; but I do wish Hannes had been able to keep a little more that pleasure for himself. (Frederik Pohl, Science Fiction Autor).


Ergänzende Links – eine Auswahl:

American Art Archives

Pulp Artists

Frederik Pohl: Hannes Bok, Futurian Artist in Chief: Teil 1, Teil 2

The Shrine of Dreams

Monster Brains


Der Beitrag [FANTASTIC ART]: Hannes Bok, tragischer Meister … erschien erstmals online am 28.11.2017 auf Kultplatz.net


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