24/04/2024

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Manchmal denke ich, deshalb könnte ich sein

[FANTASTIC ART]: Rudolf Sieber-Lonati

Header: Lonati - Butler Parker Bd. 123 (Ausschnitt)
In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts begann die anspruchsvolle, graphische Titelbild-Gestaltung diverser Romanheft-Serien im deutschsprachigen Raum immer mehr an Bedeutung zu gewinnen...

Gastbeitrag von Robert M. Christ

Vorbemerkung: Robert M. Christ, geb. 1947, ist seit Jahrzehnten im Fandom umtriebig und von dort nicht wegdenkbar. Beschäftigt sich seit den frühesten Jahren mit SF-Autoren und Künstlern, war in den 1980er und 1990er Jahren aktiver Gestalter von Super-8 Filmen, später Video, für u.a. die Wiener SF-Gruppe. Er ist bei den Treffen der SFGW ebenso anzutreffen wie aktiv beim Verein der Freunde der Volksliteratur. Für deren Vereinsmagazin verfasst er seit Jahren in Abständen Beiträge und Artikel. Eine Auswahl davon soll an dieser Stelle einem größeren Publikum präsentiert werden.

Beiträge von Robert Christ: über Fritz Leiber – über Clark Asthon Smith – über Gustav Meyrink – über Alfred Bester – über Dashiell Hammett – über Captain Future – über Virgil Finaly – über die Weird Tales – über Lonati – über Hannes Bok –  über Der Orchideengarten – über Jack Williamson – über Johnny Bruck – über Margaret Brundage … weitere Beiträge folgen …


Rudolf Sieber-Lonati
Der Schöpfer von vielseitiger Romanheft-Titelbilder

In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts begann die anspruchsvolle, graphische Titelbild-Gestaltung diverser Romanheft-Serien im deutschsprachigen Raum immer mehr an Bedeutung zu gewinnen. Besonders begabte und herausragende Zeichner wie Johnny Bruck und Karl Stephan gelang es beispielsweise utopische Roman-Serien wie Terra, Terra Nova, Terra Extra und Perry Rhodan ihren Stempel aufzudrücken. Ein weiterer produktiver Zeichner und Gestalter von ausdrucksstarken Titelbildern signierte seine graphischen Werke oftmals mit LO oder Lonati.

Cover: Lonati - Utopia Grossband Bd. 70Hinter diesem Zeichen und Namen verbarg sich der am 16. Oktober 1924 in Wien geborene Zeichner, Gebrauchsgraphiker und Kunstmaler Rudolf Sieber-Lonati. Eine Tatsache, die erst einige Jahre nach seinem Tod bekannt werden sollte. Lonati gehörte zu jener Graphiker-Generation, die in den 50er und 60er Jahren flexibel auf die sich wandelnden Bedingungen auf dem beinahe unübersehbaren Markt von Romanheftserien zu reagieren wusste. Im Gegensatz zu seinem deutschen Kollegen Johnny Bruck, den ebenso unverwechselbaren Terra- und Perry Rhodan Titelbildgestalter, bediente Lonati alle möglichen Genres der herkömmlichen Trivialliteratur, und war der mit Abstand der vielseitigste und produktivste Schöpfer von Titelbildern am deutschsprachigen Markt diverser Romanheftserien.

Cover: Lonbati - Larry Brent Bd. 113Ab 1946 lebte Lonati bis zu seinem Tod in Bad Tölz, wo er im selben Jahr, am 31. Oktober seine Frau Gertrude heiratete. Es ist durchaus vorstellbar, dass seine Ehefrau Gertrude ihren Ehemann in den darauffolgenden Jahren bei seiner künstlerischen Tätigkeit als beruflich ausgebildete Illustratorin hilfreich unterstützte.

In den folgenden Jahren begann Lonati seine ersten Titelbilder für Buchumschläge diverser Leihbücher anzufertigen. Für die im Wolfgang-Marken-Verlag in Köln erschienene Romanheft-Serien Kriminal-Erdball und Westmann-Erdball, veröffentlichte der Verlag 1954 mit dem Band 226 „Junger Mann im Zwielicht“ Lonatis erstes farbiges Titelbild. Zwei Romanreihen, die Lonati, unterstützt von seinen Kollegen Rudolf Herrmann, Kurt Kiesbye, Rudolf Schmidt, Edwin Grazioli, Kurt Blohm oder C. F. Hagen, mit zahlreichen gelungenen Titelbildern bis etwa 1961 betreute.

Lonatis Titelbilder zeichneten sich stets durch leuchtende Farbgebung, materialistische und aktionsreiche Szenen, ungewohnte Blickwinkel und ausdrucksstarke Motive aus. Lassen Lonatis frühe, noch traditionelle, Titelbilder in der Gestaltung menschlicher Proportionen und Bildgestaltung gewisse Unsicherheiten erkennen, so wurden innerhalb von wenigen Monaten die Bildkomposition und sein Pinselstrich dynamischer und präziser.
Mehr als andere Schöpfer von Titelbildern orientierte sich Lonati an der Bild-Ästhetik von amerikanischen Taschenbüchern und Pulp-Magazinen, die in den Nachkriegsjahren erstmals nach Deutschland und Österreich gelangten, und durchaus als Orientierungshilfe für sein späteres Werk angesehen werden können.
Lonati gehörte einer Generation von Graphikern an, die noch nicht mit Spritzpistolen oder Computer-Graphik-Programmen zu arbeiten pflegten, und malte seine Bilder mit Plakat- oder Temperafarben über eine Bleistiftzeichnung auf Karton.
Häufig sind es Bilder der Bedrohung und des Schreckens, die uns in seinen überzeugendsten Entwürfen diverser Bild-Themen durch ihren expressionistischen Stil auch heute noch in ihren Bann ziehen.

Cover: Lonati - Butler Parker Bd. 123Seine langjährige Tätigkeit für den Erich Pabel-Verlag in Raststatt , die 1956 begann und bis in die frühen 70er Jahre anhielt, ermöglichte es Lonati, erstmals sein vielseitiges Können durch eine große Anzahl von unterschiedlichsten Romanheft-Serien wie Western-und Kriminalromane, Science-Fiction Romane und Gruselgeschichten unter Beweis zu stellen.Cover: Lonati - Kommisar X Bd. 94
In den folgenden Jahren betreute Lonati eine Vielzahl von Romanheft-Serien: Utopia Zukunftsroman, Utopia Grossband, Utopia Kriminal, Mark Powers, Pabel Wild-West, Texas Ranger im Einsatz, Tom Brox, Tom Sullivan, Billy Jenkins, Jim Hatfield, Die Rothaut, Tollkühner Westen, Star Western Sammelbände, Golden Western, Pabel Kriminalroman, Fledermaus, Kommissar X, Kommissar X Auslese, Der Landser, Der Landser Grossband, Der Landser Ritterkreuzträger, Delfin Grossband und Sexton Blake.

Lonati lieferte die Originale stets einige Monate vor dem Erscheinen der Hefte beim Verlag ab. Zu berücksichtigen hatte er Leerflächen für Beschriftungen und Serien-Logos, Haupt-und Untertiteln, Preis und Heftnummern – Angaben, die anschließend beim Verlag von einem Grafiker auf eine Folie gezeichnet oder kopiert wurden.

Mitte der 60er Jahre wechselte Lonati zum Zauberkreisverlag und verstand es, seinen Stil und sein Bildrepertoire den veränderten Ansprüchen des Verlages und der nachwachsenden Lesergeneration rasch anzupassen.
Unter den zahlreichen Romanheft- und Taschenbuchserien befanden sich die Romanheft-Serien Silber Grusel Krimi, Silber Krimi, Silber Krimi Spionage, Die Greifer, Rodeo Western, Silber Western, Dan Oakland Story, Socorro, G. F. Unger Western, Western Gun, Western King, Macabros, Larry Brent, Occu, Geister-Schocker, Ron Kelly, Sandra King, Zauberkreis Science Fiction, Butler Parker, Zauberkreis Western Taschenbücher und Zauberkreis Krimi Taschenbücher.

Cover: Lonati: Dan Shocker's Macabros Bd. 9Lonati gelang es, einigen Zauberkreis-Heftserien ein unverwechselbares Gesicht zu geben, und fügte der romantisch-naturalistischen Tradition deutscher Romanheft-Titelbilder einen manieristischen Zug hinzu. Brauchbare Titelbild-Motive aus seinem reichhaltigen Fundus, brachte Lonati gelegentlich auf die eine oder andere Weise erneut zum Einsatz. Zurückerhaltene Titelbilder und Entwürfe aus seiner Pabel- und Marken-Verlag-Ära, pflegte er bei Gelegenheit, überarbeitet und umgestaltet, dem Zauberkreis-Verlag neu anzubieten.Cover: Lonati - Utopia Zukunft Bd. 260
Gelegentlich wurden im Laufe der Jahre einzelne Veröffentlichungen seiner Titelblätter beim Kelter, Zaubermond, Romantruhe, Moewig- oder Schneider Verlag publiziert, sowie in ausländischen Romanserien in Norwegen, Israel, Niederlande und Italien.

Gemini, eine in den Jahren 1976/77 im Kelter Verlag erschienene Science-Fiction Romanheftserie, bestehend aus 47 Bänden, verwendete für den Abdruck einige Lonati-Titelbilder, beginnend mit Band 2 „Sternenjäger im Kosmos“, ein Bild, welches bereits Jahre zuvor in einem früheren Pabel-Utopia-Roman, Band 372, „Gift säte Hass“, erstmals veröffentlicht wurde.

Für die Hebel Jugendbuch Reihe gestaltete Lonati im Zeitraum von 1971 bis 1984 insgesamt 16 Buchumschläge.

Zwischen 1978 und 1981 wurden mehr als 30 Titelbilder in der in Italien publizierten Perry-Rhodan-Serie mit seinen Zeichnungen versehen, indem Titelbilder von der in Deutschland zuvor veröffentlichten utopischen Pabel-Utopia Reihe bzw. Gruselromane Macabros- und Larry Brent-Serien übernommen wurden.

Lonati, der gerne nachts arbeitete, führte ein zurückgezogenes Leben und vermied jeden persönlichen Kontakt mit den Verlagen. Im Verlag selber bekam man den Künstler nie zu Gesicht. Auf Einladungen reagierte er immer ablehnend. Niemand wusste, wie er aussah. Den zuständigen Redakteuren war einzig die Postfach-Adresse in Bad Tölz bekannt, da die Originale nach Gebrauch zurückgeschickt werden mussten und die Geschäfte ausschließlich von seiner Ehefrau Gertrude geführt wurden.

Der ehemalige Lektor des Zauberkreisverlages erinnerte sich:

„Ich war 32 Jahre Lektor im Zauberkreisverlag und kenne mich aus. Die letzten drei Jahre gehörten wir zum Pabel-Verlag, aber Titelbilder hat Lonati schon in den 60er Jahren für verschiedene Serien angefertigt. Meistens Krimi-Bilder. Ich hatte wegen Butler Parker mit ihm zu tun, da diese Heftserie von 1961 bis 1992 von mir betreut wurde. Als ich 1988 in den Ruhestand ging, habe ich noch vier Jahre die Romane redigiert. Mit Herrn Lonati bin ich nie ins Gespräch gekommen (…). Warum – kann ich nicht sagen. Zu meiner Zeit wurden die Titelbilder mit einer kurzen Inhaltsangabe schriftlich bestellt. Die Post ging postlagernd an Frau Lonati. Rückfragen habe ich mit Ihr telefonisch erledigt. Sie rief im gegebenen Fall an. Änderungen unsererseits erfolgten wieder auf dem Postweg, d.h. wenn wir nicht 100% zufrieden waren. Das kam aber nur selten vor. Lonatis Bilder waren in der Gestaltung, in den Farbkontrasten und im Szenenentwurf im Verhältnis zum Romaninhalt erster Klasse! Der letzte Auftrag fiel, glaube ich, ins Jahr 1989“.

Cover: Lonati - Tom Sullivan Bd. 1Über ähnliche Erfahrungen im Umgang mit Lonati wusste auch Jürgen Grasmück alias Dan Shocker zu berichten. Cover: Pabel Western Grossband Bd. 18Der Autor war immer bestrebt, den Titelbildzeichner seiner Romane persönlich kennen zu lernen. Es blieb bei einigen Telefongesprächen mit seiner Frau Gertrude. 1989 fertigte Lonati für die Romanserie Butler Parker, „Parker löst die Boten ab“ eines seiner letzten Titelbilder an.

Rudolf Sieber-Lonati starb nach längerer Krankheit am 27. April 1990 im Alter von 65 Jahren im städtischen Krankenhaus von Bad Tölz. Angeblich nach einem Selbstmordversuch. Einige Jahre später, im Dezember 1998 verstarb seine Frau Gertrude im Alter von 74 Jahren.

Lonati hinterließ einen Fundus von etwa 4000 originalen Titelblättern, die nachträglich vom Blitz-Verlag erworben wurden. Ein geplanter Bildband des Blitz-Verlages zum 90. Geburtstag des Künstlers im Jahre 2014 wurde nie publiziert.

2009 wurde Lonati eine Ausstellung im Rahmen der InterComic Messe in Köln gewidmet. Am 4. Mai 2013 folgte eine Lonati-Verkaufsausstellung in der Intercom-Messe in der Köln-Mühlheim Stadthalle.

Gelegentlich findet man auch heute sein graphisches Werk auf DVD-Video Hüllen, CD-Hörbücher und Grusel/Fantasy-Kalender.


Quellen: Jose Kastler „Rudolf Sieber- Lonati“, erschienen in Exodus 30, sowie Pabel/Zauberkreis- und Blitz Verlag.


Anmerkungen:

Terra Utopische Romane: Heftroman-Serie 1957-1968 bei Moewig, 555 Bände.

Terra Nova: Heftroman-Serie 1968-1971, 190 Bände

Terra Extra: Heftroman-Serie 1962-1968, 182 Bände

Terra Astra: Heftroman-Serie 1971-1985, 643 Hefte

Utopia Zukunftsroman: Heftroman-Serie 1953-1968 bei Pabel, 596 Bände

Utopia Großband: Heftroman-Serie 1954-1963, 204 Bände

Utopia Kriminal: Heftroman-Serie 1956-1958, 24 Bände

Landser: Das Romanheft Der Landser und diverse Nebenserien waren von 1957 – 2013 kriegsverherrlichende Romanhefte bei Pabel-Moewig (Bauer Verlag). Die Autoren waren zum Teil ehemalige NSDAP Mitglieder, auch die Herausgeber hatten oft eine einschlägige Vorgeschichte.

Anmerkungen: A.D.


Der Beitrag [FANTASTIC ART]: Rudolf Sieber-Lonati erschien am 31.05.2020 auf Kultplatz.net


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