18/03/2024

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Manchmal denke ich, deshalb könnte ich sein

[LESEPROBE 01]: John Aysa: Die Prinzessin

Cover: John Aysa: Die Prinzessin

Cover: John Aysa: Die PrinzessinPRINZESSIN: DIE PRINZESSIN

Die Bibliothek von SHE: Band 01;

Neuausgabe 11/2016; eBook bei Amazon; Paperback bei Amazon …

Leseprobe besteht aus:

Kapitel 00 (Prolog) sowie die Kapitel 01, 02, 03.


Kapitel 00

Die Droole fressen.

Sie kann die Geräusche hören, ohne etwas zu sehen. Das Mahlen der Zähne, das Schmatzen, das Kauen. Die Klauen, die am Körper zerren und Brocken von Fleisch aus dem Rumpf reißen.

Sie hört die schmierigen, glitschigen Laute des säurehaltigen Speichels, der das Gewebe mürbe macht, die Schlürfgeräusche, mit denen der klumpige Fleischschleim in den Verdauungstrakt gesogen wird.

Die Geräusche verursachen ihr Übelkeit. Am liebsten würde sie sich übergeben, ihr Essen ausspucken. Stattdessen verharrt sie reglos an der Stelle, an der sie sich befindet. Sie unterdrückt den Brechreiz und wartet.

Wartet darauf, dass die Droole gefressen haben, träge und müde sind, mit schwerem Magen einschlafen. Wartet, bis sie sich leise, ganz leise in Bewegung setzen und davonschleichen kann. Raus aus dem Gefahrenbereich.

Hoffentlich bald.

Regen tropft die zum nachtschwarzen, wolkenverhangenen Himmel hochragenden Stockwerke bis zu ihr herab. Mitten durch den zerfallenden Dachstuhl, die geborstenen Etagen, in denen Treppen, Böden, Wände fehlen, wo Schimmel und Verfall hausen.

Der traurige Rest einer Zivilisation, die sich den Lauf einer Pumpgun in den Arsch gesteckt und den Abzug betätigt hat.

Tropfen, die auf ihr Haar fallen und bis zur Kopfhaut vordringen, dort kribbeln und jucken, nerven sie, wecken in ihr den unbändigen Wunsch, sich zu kratzen.

Tropfen, die ihren Nacken hinabkullern, kitzeln, verschwinden im Kragen, nässen ihr Gewand unter dem Regenschutz.

Droole fressen. Das ist nicht ihre erste Begegnung mit diesen Kreaturen, die es verstehen, lautlos durch die Nacht zu wandern, mit Klauen, Zähnen und dem Instinkt von Raubtieren bewaffnet.

Prädatoren der neuen Welt. Noch sind sie nicht überall anzutreffen, noch sind sie nicht in der Königsklasse der Jäger angelangt. Aufzuhalten ist ihr Aufstieg jedoch nicht mehr.

Sie hat alle Begegnungen unversehrt überstanden, weil sie es schafft, direkte Konfrontationen zu vermeiden. Sie weiß, wie sie sich verhalten muss, wann sie gehen kann. Sie kennt sich aus. Sie hat überlebt.

Eine Bewegung zu ihrer Rechten. Eine ahnungslose Gestalt.

Sie verdreht die Augen, versucht zu erspähen, welch närrische, sorglose, nichts ahnende Kreatur da unterwegs ist. Sie bewegt den Kopf eine Winzigkeit, geräuschlos, erstarrt.

Oh nein. Eine Frau – mit Sprössling. Drei, vier Jahre alt. Brav, so leise, wie es ein Kleinkind in diesem Alter nur sein kann. Aber bloß ein Kind. Und seine Mutter. Verzweifelt? Hungrig? Dumm?

Schwer zu sagen. Verzweiflung, Hunger und Dummheit sind gute Gründe, die Regeln zu brechen. Verständlich, tödlich.

Verschwindet, schreit eine Stimme in ihrem Kopf, kein Laut kommt über ihre Lippen. Was hast du draußen verloren, Frau? Was hat dich aus deinem Versteck getrieben?

Die Nacht hat ihren Tiefpunkt erreicht, und es regnet in Strömen. Das ist die gefährlichste Stunde, um unterwegs zu sein, weißt du das nicht? Verschwinde, lauf, bring dein Kind in Sicherheit. Scheiße, Weib, dein Balg!

Sie weiß, dass es zu spät ist. Zeit, alle Hoffnung fahren zu lassen. Wenn sie den Trampel gehört hat, dann die Droole ebenfalls. Deren Gehör ist deutlich besser als jenes der Menschen. Die Fressgeräusche verstummen.

Die Killerkreaturen haben Witterung aufgenommen. Die Entscheidung über die Zukunft von Mutter und Nachwuchs ist gefallen. Das Schicksal hat den Hobel angesetzt und wird die beiden von der Oberfläche entfernen. Ritsch, ratsch, weg. Ihr Leben ist verwirkt. Eventuell übersehen sie das Kind. Ach, welch närrische Illusion. Seit wann entgeht diesen Kreaturen Futter?

Einer aus der Meute ist unbeherrscht. Ein Jungtier. Ein unterdrücktes Knurren entfährt ihm, ein Geräusch, das die Frau gehört hat. Sie schreckt auf, ihre Augen weiten sich. Panik schießt ein. Erst jetzt dämmert ihr, wie töricht sie war.

Mühsam nimmt die Mutter ihr Kind auf den Arm, kämpft kurz mit den Kleiderschichten um einen soliden Griff und beginnt zu hasten.

Nur behäbig zu Beginn, zunehmend temporeicher, als die Muskulatur warm und geschmeidig wird.

She presst die Augen zusammen, um die aufsteigende Feuchtigkeit zurückzuhalten. Sie wird nicht weinen. Unter keinen Umständen. Fressen und gefressen werden, das uralte Spiel, nimmt seinen Lauf. Das ist alles. Die einzige Neuerung daran ist, dass der Mensch nicht mehr an der Spitze der Nahrungskette steht. Das Leben, wie es nun mal ist. Pur, unverfälscht und scheinbar grausam in seiner unerbittlichen Konsequenz.

Sie atmet vorsichtig ein, bläst den Atem genauso bedächtig aus. Die flüchtende Frau macht alles verkehrt, was vorstellbar ist. Möge dieser Unverstand ihr selbst zum Vorteil gereichen.

Laufen facht den Jagdinstinkt der Bestien an. Die Droole schnellen vorwärts. Im Gegensatz zum Menschen sind sie in der Lage, mit dem ersten Satz ihre Höchstgeschwindigkeit zu erreichen. Sie beherrschen den Blitzstart wie kein zweites Lebewesen auf dieser Welt.

Dazu besteht in diesem Fall nicht die geringste Notwendigkeit. Vier, fünf, sechs, ein Dutzend Sprünge auf ihren abartig gelenkigen und muskulösen Gliedmaßen, und sie haben ihre Beute erreicht.

Der erste Drool springt der Frau beinah sanft auf den Rücken. Sie stolpert vorwärts, gerät aus dem Gleichgewicht und stürzt mit einem Aufschrei, das Kind noch im Arm. Die beiden schlagen am Boden auf, das Kleine heult los. Es spürt den Schmerz und die Angst der Mutter, übernimmt die Panik automatisch, ohne zu ahnen, was ihm bevorsteht.

Die Droole haben sie umzingelt, und das ungeduldige Jungtier schnappt als Erstes zu. Der Rest der Meute folgt ihm einen Augenaufschlag danach.

Das Schreien beginnt. Zwei Stimmen, schrill, erfüllt vom absoluten Terror, den es verheißt, bei lebendigem Leib die Eingeweide aus dem Bauch gerissen zu bekommen. Es ist ihr unmöglich, sich vorzustellen, welch abartiges Grauen das Kind in diesen letzten Augenblicken seines Lebens durchmacht. Das Unverständnis, was ihm geschieht, gepaart mit Schmerzen, die es nicht im Ansatz erfassen kann. Das höllische Ende eines kurzen Daseins.

Die Schreie erreichen einen schmerzhaften Höhepunkt und reißen schlagartig ab. Der Lärm reduziert sich auf die aufgeregten, glücklichen Laute der gierigen Befriedigung der Kreaturen, die sich in dieser Nacht die Bäuche vollschlagen.

Zu diesem Zeitpunkt ist She schon fort. Sie hat sich den Radau der Schlachtung zunutze gemacht und den geordneten Rückzug angetreten.

 

Kapitel 01

She blickt den Mann ihr gegenüber reglos an. Es regnet unaufhörlich. Wasser, leicht gefärbt und alles andere als frisch riechend, rinnt über ihr Gesicht. Sie hat die Kapuze ihrer regenfesten Jacke zurückgeschoben.

Es schüttet seit Tag und Nacht und Tag und Nacht.

Der dritte Tag ist angebrochen, immer noch gießt es ungebrochen wie aus Eimern. Wenigstens wird jede Menge Dreck aus der Luft geschwemmt und versickert im Boden, um irgendwann zurück in den Menschen zu gelangen.

Kein Entkommen vor der Scheiße, die losgelassen wurde. Nicht in den kommenden Jahrhunderten.

Der Kerl hat ein Gewehr auf sie gerichtet, eine verdreckte, zerschrammte Waffe. Sie kennt das Modell nicht, doch sie weiß, dass es genügend Schießeisen gibt, denen Verunreinigung und mangelnde Pflege nicht viel ausmachen.

Das sind die wertvollen Kampfgeräte dieser Welt, und sie ist sicher, ihr Gegenüber hat so ein Teil in den Händen. Es sieht zwar so aus, als würde es ihm beim Betätigen des Abzugs ins Gesicht explodieren, aber sie kann getrost davon ausgehen, das dem nicht so sein wird.

Er deutet mit dem Lauf der Mündung genau zwischen ihre Augen.

She wartet ab. Sie bewegt sachte die Finger, hält sie geschmeidig, während sie den Griff ihres Messers umfasst.

Die Klinge ist knapp drei Handspannen lang, schwarz gefärbt, eine Tarnung, die nach Jahren intensiven Gebrauchs abgeht und den glänzenden, zerkratzten Stahl entblößt. Die Oberseite weist scharfe Sägezähne auf. Der Knauf besteht aus aufgerautem Kunststoff und ist mit Leder umwickelt, noch nie aus ihrer Hand gerutscht.

Sie lockert die Finger, packt erneut zu. Der Mann ist unsicher, was er tun soll, wie er ihrer habhaft werden kann, bevor die anderen zu ihm stoßen.

Er ist überfordert mit der Situation, denn ihm steht kein Opfer gegenüber, wie er es gewöhnt ist. Er überlegt, wie er am besten vorgehen soll, und sie ist zu 100 Prozent sicher, er sieht sich das erste Mal im Leben mit jemandem wie ihr konfrontiert. Mit einer Frau, die sich von Aggressivität nicht einschüchtern lässt.

She weiß, er ist ein Späher, ein Kundschafter, ein Laufbursche mit Knarre. Der mickrige und entbehrliche Vorbote einer kämpferischen Gruppe. Er ist ein Köder, lästig und gefährlich.

Selbstredend gehört er erledigt. Kerle wie dieser, im Grunde des Herzens Feiglinge und Schwächlinge, brauchen die Rückendeckung anderer Typen, eines Rudels, eines dominanten Alphatiers.

Sie neigt den Kopf. Woran mag es wohl liegen, dass die Mehrzahl der Mannsbilder nicht fähig ist, auf sich allein gestellt zurechtzukommen?

Sie sind armselig, daran liegt es. Das verdammte Geschlecht ist kläglich. Der Mann ist schwächlich und unattraktiv. Er ist ein Angstbeißer, ein Hosenscheißer, ein dämliches Schwein.

Vereinzelte Ausnahmen bestätigen die Regel.

Die Natur hat die männliche Kreatur bestehen lassen, weil sie einen Schwanz hat und weil das weibliche Wesen auf dieses merkwürdige Stück Fleisch scharf ist.

Sperma ist die Rettung der Schwanzträger. Der Begatterich kann Spaß bereiten, abspritzen und befruchten. Abgesehen davon ist Mann überflüssig.

Die Evolution wird diese Fehlentwicklung ändern. Der Mann in seiner beschränkten Ignoranz hätte beinah den Untergang allen Lebens verursacht und macht sich jetzt vor Angst ins Hemd, weil er mit den unübersehbaren, irreparablen Schäden zurechtkommen muss, die er in seiner Überheblichkeit selbst angerichtet hat.

Und er hat Muffensausen vor Frauen, denen bei seinem Anblick nicht bang wird, vor Frauen, die nicht weiche Knie vor Geilheit bekommen und sich freiwillig unterordnen.

Schwanzträger sind absolut jämmerlich und seltsamerweise noch immer zu dominant. Sie gehören endgültig gebrochen, auf ihren Platz zu Füßen des Weibes verwiesen. Raus auf die umzäunte Koppel mit ihnen.

She würde sich niemals als das bezeichnen, was einmal als Feministin gegolten hat, aber dem Wunsch nach Versenkung des männlichen Geschlechts in die Bedeutungslosigkeit kann sie sich anschließen.

»Hände auf den Kopf, runter auf die Knie«, ruft der Kerl ihr zu. Sie sieht, wie seine Waffe zittert. Oh, wie er sich fürchtet. Gut so.

Er ist von Natur aus beschränkt, sein Schwanz ist intelligenter als er, er trifft dämliche, unüberlegte Entscheidungen, die einer Ahnungslosigkeit entspringen, die er für Wissen hält.

Er denkt wohl, er hätte sie in dieser Position unter Kontrolle. Welch fataler Irrtum.

Blauäugiger Bastard. Vollidiot.

Eigentlich war die Situation fast zum Lachen. Ängstliche Männer begehen schwere Fehler. Dieser Trottel zum Beispiel hat das Messer übersehen. Unvorstellbar, sollte man meinen, er hat dieses wunderbare Werkzeug tatsächlich nicht bemerkt.

Nun gut, möglicherweise hat ihn das Beil abgelenkt, das an ihrer Hüfte hängt, fein säuberlich in einer Lederhülle verstaut. Ein wertvolles Instrument, das ihr viele nützliche Dienste erwiesen hat.

Vielleicht irritiert ihn der Bogen, den sie von ihrer Schulter streift, um ihn sachte auf dem aufgeweichten Boden abzulegen.

Eine Reizüberflutung an Waffen, die er bei einer Frau nicht erwartet hat und die ihn überfordert.

Mit einer flinken Bewegung dreht sie ihr Sägemesser in der Hand herum, lässt die Klinge im Ärmel ihrer Jacke verschwinden.

Ohne mit der Wimper zu zucken, hebt sie die Arme, legt sie auf ihren Hinterkopf, spürt das regennasse Haar und die darin verborgene Nadel. Noch eine Waffe. Die Qual der Wahl. Ein Overkill, nur für dieses bescheidene, mit einem erkennbaren Mangel an Intelligenz gestrafte Männchen.

Sie unterdrückt ein Lächeln, während sie auf die Knie geht. Kaltes Nass dringt in den Stoff ein, als sie auf dem matschigen Untergrund zum Halt kommt.

Schlammiges Wasser berührt ihre Haut. Unangenehm für zwei, drei Momente. Dann ist das Unbehagen aus ihrem Bewusstsein verschwunden.

Sie fokussiert ihre Aufmerksamkeit auf den Mann, der sich nähert, einen Schritt nach dem anderen. Sie riecht seine Angst, seine Gier, seine Begierde. Sie sieht seine Erregung, die Beule in der Hose vorn. Zu viel Blut aus dem Gehirn abgezogen, versammelt im Schritt, Sauerstoffmangel verursachend. Das ohnehin simple Denken ist zusätzlich gedimmt.

Wie sollte es sonst sein?

Du denkst mit dem falschen Kopf, grinst sie lautlos in sich hinein. Und gleich wirst du gar nicht mehr denken.

Er bemüht sich, gewitzt und kriegerisch zu erscheinen, wie ein Profi zu gehen, ein Soldat beim Vorrücken im unübersichtlichen Gelände, jeden Augenblick auf einen Schusswechsel gefasst.

Mit leicht gebeugten Knien, einen Tick breitbeiniger als nötig. So, wie er es von den Bildern aus der Vergangenheit zu kennen meint. Wie er es in zahllosen Actionfilmen gesehen hat, in Science-Fiction-Streifen wie dem, in dem er jetzt lebt.

Die Zeiten der Utopien sind vorbei, das Leben findet in einer Dystopie statt, die niemals enden wird und die keinerlei Zukunft hat.

Der Mann ist lächerlich, weil es ihn vor Gier und ebenso unverkennbar vor Angst schüttelt.

»Mach keinen Scheiß, hast du mich verstanden?«

Ihre Lippen zittern, ihre Stimme bebt, als sie unverständliche, weinerliche Laute von sich gibt. Diese Sprache versteht er, nimmt er als vertraut wahr und vergisst flugs darauf, dass sie einen Bogen zu Boden hat gleiten lassen. Wer, wenn nicht jemand, der sich damit auskennt, trägt einen Bogen bei sich?

Den Kopf hält sie gesenkt, ihr Haar fällt vors Gesicht, um zu verhindern, dass er eventuell das verächtliche Zucken eines Mundwinkels wahrnimmt, dass er erkennt, wie wach und konzentriert ihr Blick ist.

Sie beobachtet, wie er am obersten Hosenknopf nestelt, das Gewehr in einer Hand balancierend.

Sie unterdrückt ein gelangweiltes Seufzen. Nicht schon wieder. Männer! Stets bereit, beim dümmsten Vorwand die Nudel aus der Hose hängen zu lassen. Es hat zu viele Frauen gegeben, die auf dieses dämliche Stück Fleisch abgefahren sind, und so haben die Tölpel es gelernt, ihr Ding zur Schau zu stellen. Tja, grinst sie in sich hinein, sie hat bestimmt selbst ihren Teil dazu beigetragen.

Die gesamte Geschichte der Menschheit hat mit dem Penis zu tun. Selbst wenn es nicht den geringsten Sinn ergibt oder, wie hier, selbstmörderisch ist, wird der Pimmel ins Spiel gebracht.

She schüttelt unmerklich den Kopf. Sie ist nicht bei der Sache. Dieser Dummkopf irritiert sie. Am liebsten hätte sie ihn aufgefordert, den Verstand zu benutzen und von vorn zu beginnen. Er macht es ihr viel zu leicht. Das ist unbefriedigend.

Hektisch zupft er mit einer Hand an der Hose herum, schafft es nicht, sie zu öffnen, und gibt verärgert auf. Dummer Mann.

»Du machst das«, befiehlt er und tritt vor sie hin. »Mit deiner Linken, die Rechte bleibt am Kopf.« Er drückt den Lauf des Gewehrs gegen ihren Schädel, meint, sie unter Kontrolle zu haben.

Auf die Idee, dass in Wahrheit sie ihn damit endgültig im Griff hat, kommt er gar nicht. Das wären für einen Volltrottel wie ihn viel zu komplexe Gedanken.

Oh, du dämlicher Dödel. Sie öffnet mit einer geschickten Bewegung den Hosenstall, zieht den Reißverschluss runter, greift in die gelbfleckige, stark riechende Unterhose und holt den Schwanz aus der vergammelten Verpackung raus.

Es müffelt nach Penis, Schweiß, Urin, nach ungewaschener Unterhose, die wochenlang am Arsch des Kerls geklebt hat, ohne gewechselt worden zu sein.

Zur Hölle. Die Welt ist untergegangen und die Männer stinken mehr denn je.

Zumindest ist er nicht verseucht, das hätte ein klitzekleines Problem gegeben. Er ist bloß indiskutabel ungepflegt und ekelhaft. Als ob mit dem Ende der Zivilisation die Hygiene verschwunden wäre, was durchaus im Bereich der Realität zu liegen scheint, wenn man von diesem Exemplar des Homo sapiens ausgeht.

»Mach endlich«, drängt er, und sie schließt die Augen, atmet ein, hält die Luft an und biegt die stinkende Rute zu sich. Sie öffnet den Mund, greift den Kerl am Hintern, zieht ihn zu sich, krümmt die Zunge und streicht damit an der Unterseite des Penis entlang.

Es wäre schön, könnte sie ihre Geschmacksknospen je nach Bedarf deaktivieren. Bloß nicht kotzen. Jetzt ist nicht der geeignete Moment.

Das Gewehr an ihrem Kopf rutscht ab, als er stöhnt und unkontrolliert von Geilheit gebeutelt wird. Gut. Sie packt seinen Schwanz an der Wurzel, leckt angewidert über die Eichel, und er bebt. Sie beugt sich vor, versenkt ihn zwischen ihren Lippen und … beißt zu.

Mit Kraft.

Zugleich schießt ihre Hand vom Hinterkopf vorwärts, rammt ihm die handlange Nadel mit Schwung auf Höhe des Bauchnabels in die Seite. Alles, noch bevor er den ersten Schrei ausgestoßen hat.

Rotes Nass füllt ihren Mund, strömt mit Wucht in dicken Stößen ihre Kehle hinab. Der Mann über ihr jault erstickt auf, das Gewehr fällt. Aus dem durchgebissenen Schwanz pumpt Blut.

Sie spuckt das schwammige Gewebe aus und trinkt mehrere Schlucke. Jetzt lässt sie ihn los, und er taumelt nach hinten. Lebenssaft spritzt ihr ins Gesicht.

She erhebt sich, das Messer gleitet aus dem Ärmel, sie setzt ihm nach und rammt ihm die Klinge in den Hals. Die Schreie verwandeln sich in ein Gurgeln, nass und unkoordiniert.

Eins, zwei, drei. Blutiger Schaum dringt ihm aus dem Mund. Sie zieht ihre Nadel aus dem Körper, befreit ihre Waffe und … jetzt.

Der Rest der Gruppe kommt herangestürmt, vier, fünf Gestalten, die sich hinter Autowracks, Trümmern und Geäst hervorarbeiten, in ihre Richtung preschen.

Gut. Sie schleudert das Gewehr. Es knallt einem der Typen gegen den Kopf, reißt ihn zu Boden.

Im Vorwärtssprung fliegt ihr Beil einem Angreifer entgegen, schlägt mit einem lauten Platschen in die Stirn.

Noch drei. Der Kerl, der ihr am nächsten ist, richtet eine Pistole auf sie. She packt die Waffe am Lauf, als er den Abzug drückt. Als ihre Hand blitzschnell loslässt, hat sie ein Geschenk hinterlassen. Einen in der Mündung verkeilten Stein. Peng! Die Schusswaffe explodiert dem Typen ins Gesicht und reißt ihm die Visage vom Schädel, während She weiterwirbelt.

Noch zwei. Ihr Kopf kracht dem Mann in die Rippen. Er geht zu Boden, zerrt sie mit sich, rollt herum, kommt auf ihrer Mitte zu sitzen und schmettert ihr die Faust ins Gesicht.

Scheiße, jetzt hat sie Matsch im Haar.

Sie kann das Blut schmecken, als ihre Oberlippe aufplatzt. Er ist flink, er ist kräftiger als sie. Dafür ist sie schneller, fängt den Folgehieb ab, kontert.

Sie boxt geradeaus nach oben, er wirft den Kopf zurück, dabei hebt sich sein Körper, genau das, was sie erreichen wollte. Wie ein Klappmesser schnellt sie hoch. Ihre Beine knallen ihm links und rechts gegen die Schläfen.

Er ist für Momente desorientiert. Das genügt ihr, um die Oberhand zu gewinnen, ihn nach hinten zu stoßen und ihm die Nadel in die Nase zu rammen.

Er zuckt, wirft sie ab, strampelt wie ein Fisch auf dem Trockenen. Ein Veitstanz des Todes. She will sich erheben, da landet der letzte Angreifer mit Wucht auf ihrem Rücken, presst sie in den Schlamm des Untergrunds. Er trägt trotz der Kälte seine Jacke offen. Ein schönes Teil.

»Drecksschlampe«, brüllt er, und klatsch! Faustschläge in die Niere, klatsch, klatsch, klatsch. Mörderische Schmerzen, lähmend. Er packt sie am Haar, reißt ihren Kopf zurück, entblößt ihre Kehle.

»Ich bring dich um, du Sau!«, schreit er, und durch ihre Qualen hindurch stellt sie ungläubig fest, dass er versucht, ihr die Hose von den Hüften zu reißen. Wie bedürftig sind die denn? Will er sie etwa zu Tode ficken? Der Sterbende am Boden zuckt und strampelt, und einer der unkontrollierten Tritte trifft ihren Möchtegernvergewaltiger.

Dieser ist kurzfristig abgelenkt. Das reicht, um sich auf den Rücken zu drehen. Die unerwartete Bewegung lässt ihn wieder herumschnellen.

Sie stößt ihr Messer vorwärts, fährt dem Kerl ins Schambein. Sie kann ihre Waffe den Knochen entlangschaben hören. Er erstarrt.

She dreht das Kampfwerkzeug herum, und er schreit auf, packt zu. Aber der Schmerz schwächt ihn, und sie drückt die Schneide nach oben. Sein Schrei gewinnt an Lautstärke, als die Klinge durch den Unterleib schlitzt, den Nabel teilt und sich aufwärts vorarbeitet.

Warmes Rot sprüht über sie. Ein Karminmantel, der sich um sie legt und sie vor der Kälte schützt. Die Bauchwunde klafft auf, und das Gedärm rutscht heraus, landet dampfend auf ihrer Brust, während sie schneidet, bis sie an die Rippen gelangt.

Sie wirft ihn ab, rollt sich herum, das Gekröse fällt in den Matsch, er brüllt, Blut spritzt aus dem Mund, während die Innereien im aufgeweichten Untergrund zittern und beben.

Höhnisch grinsend schiebt sie einen Arm in den Bauchraum, tastet sich vor ins warme Innere; er zuckt, gurgelt, spuckt Blut, bis sie sein schlagendes Herz berührt.

Ein erregendes Gefühl, sexueller Ekstase gleichzusetzen. Sie packt das Organ. Orgasmus. Squirting. Die Augen quellen ihm aus dem Kopf. Sie drückt zu, zerrt. Der Körper verkrampft sich, er biegt das Kreuz durch, bis die Wirbel knacken, dann folgt das schlagartige, totale Erschlaffen.

Mit einem kräftigen Ruck reißt sie die Pumpe ins Freie. Blut trieft von ihrer Hand, vermengt sich mit dem Regen.

Sie steht auf, die Knie weich vor Anstrengung und Erregung. Ihre Hose ist im Schritt getränkt von Ejakulat, an den Schenkeln von Regenwasser und Schlamm.

Die Hitze des Gefechts verfliegt rasch, die Abkühlung ist unangenehm, der Hunger auch. Sie schlägt die Zähne in das noch warme, triefende Fleisch in ihrer Faust, verschlingt gierig, was sie in der Hand hält. Kämpfen macht hungrig.

Kauend sieht sie sich um und nickt zufrieden. Vorräte hat sie jetzt zur Genüge. She blickt zum Himmel. Sie sollte ihre Hose wechseln und waschen, vielleicht im Regen duschen und sich anschließend an die Verarbeitung ihrer Beute machen.

Ja, das scheint ein guter Plan zu sein, und sie beginnt damit, ihn umzusetzen, indem sie sich auf die Suche nach einem trockenen Lagerplatz begibt.

 

Kapitel 02

Sie weiß, dass ihr Name nicht ›She‹ ist. Natürlich, so lange ist der Untergang auch nicht her. Aber She gefällt ihr. Es ist wunderbar nichtssagend. Sie hat den Namen auf dem Umschlagbild eines Buches gesehen, eines uralten britischen Abenteuerromans aus dem 19. Jahrhundert.

Die Zeichnung zeigte eine exotische Schönheit inmitten einer Fantasielandschaft, teils Dschungel, teils Steppe. Leider war der Schmöker nicht mehr komplett, sonst hätte sie ihn gelesen.

Aber das Bild vermittelte ihr genug vom Inhalt, um Gefallen daran zu finden. Darum hat sie ihren wahren Namen abgelegt und ist jetzt She.

Sie erlebt selbst ein Abenteuer, unfreiwillig, gezwungen, notgedrungen, in einer Zukunft, die den Autor des Werkes eher entsetzt als entzückt hätte.

Sie lebt das Experiment Terra nach der Apokalypse, das Zurechtkommen in einer Welt, die von ihren nach Eigendefinition intelligentesten Bewohnern zum Teufel geschickt wurde.

Ein Leben, so grauenhaft wie in den schlimmsten Albträumen, die den Menschen durch den Kopf gegangen sind und sich in Büchern und Filmen niedergeschlagen haben.

Als die ganze verdammte Scheiße passierte und sich die strahlende Zukunft in Strahlung und Wahnsinn auflöste, war sie jung, zwar kein Kind mehr, aber auch noch nicht erwachsen. Ein verwirrter, nervtötender, selbstsüchtiger Teenager.

Weiße Streifen zogen über den Himmel und senkten sich zur Erde nieder. Beben, Donnergrollen, gewaltige pilzförmige Wolken, Feuerstürme, Finsternis, Dauerregen und Radioaktivität formten das Antlitz der Welt für alle Zeiten um.

Bevor sie endgültig verstummten, stammelten die verbliebenen, nur schwer verständlichen Stimmen im Äther von Atombomben, von Biowaffen, von chemischen Angriffen. Von der gesamten Palette an Massenvernichtungsmitteln, die zum Einsatz gekommen war.

Seltsam, dass überhaupt etwas übrig geblieben war. Die letzten Worte aus dem Radio galten dem Overkill und der Barmherzigkeit des Allmächtigen.

Danach zerfiel die Menschheit in isolierte Gruppen, die kaum in der Lage waren, auf einem Kontinent miteinander in Verbindung zu bleiben, geschweige denn, mit Überlebenden auf einem anderen Erdteil zu kommunizieren.

Es folgten Veränderungen, Mutationen, Kreaturen.

Von Gnade oder einem Gott kann keine Rede sein. Es gibt keinen Gott, es hat ihn nie gegeben. Keine Gottheit, die angebetet und verehrt werden will, ist so dumm, ihre Anhänger blindlings in einen Suizid der eigenen Spezies laufen zu lassen.

Von Göttlichkeit nirgends eine Spur, nicht in einer der Gestalten, die sich die Zivilisationen rund um den Globus ausgemalt haben.

Wenn sie darüber nachdenkt, was sie noch gelegentlich macht, erscheint ihr das, was der Schintoismus ist, als wahrscheinlichste Form von Divinität. Eine Art Animismus, eventuell eine Theophanie.

She hat alles überlebt. Sie ist schlau, stark, vorsichtig. Sie beobachtet, lernt, adaptiert. Wer weiß, vielleicht ist sie auch schon mutiert. Bemerkt hat sie jedenfalls nichts Außergewöhnliches, aber das ist der springende Punkt – würde sie es bemerken, wenn sie eine Mutantin wäre? Schwer zu sagen.

Das Grauen der Welt ist Alltag, Normalität. Wer damit nicht existieren mag, krepiert. Wer unvorsichtig ist, verreckt. Wer sich auf andere verlässt, kratzt ab.

Der Tod ist ständiger Begleiter und fährt reiche Ernte ein, Tag für Tag für Tag. Ungebremst, unbekümmert, unberührt.

Sie marschiert. Trotz der alles durchweichenden Feuchtigkeit knirscht es unter den Profilsohlen ihrer Stiefel. Steine, Laub, Knochen, Erde, Zweige, Splitter, Brocken, Reste der Zivilisation im Matsch des aufgeweichten Untergrunds.

Trümmer von Konstrukten, Werkstoffen, Überbleibsel des Fortschritts.

Sie hat ihr Gepäck auf dem Rücken, ihre Waffen in Bereitschaft, und schreitet voran, den Pfad entlang, den sie gehen muss, den das Schicksal für sie vorgesehen hat.

In ihren Gedanken macht sich ein Grinsen breit. Esoterischer Mumpitz, der die Kontrolle übernommen hat. Die Sache ist in Wahrheit simpel. Sie hat ein Reiseziel, aber keine Ahnung, was es ist, wo es sich befindet oder wann sie dort ankommen wird. Möglicherweise ist der Weg das Ziel, vielleicht gibt es einen Ort, den es zu erreichen gilt.

Wie auch immer, sie wandert. Sie hat eine klare Vorstellung davon, auf welcher Route sie sich zu bewegen hat. Da ist ein innerer Zwang, eine Leere, die sie in diese Richtung zieht, eine Sehnsucht. Ihr ist bewusst, dass sie allein zu gehen hat. Das ist ihre Reise, ihr Weg, ihre Bestimmung.

Esoterischer Mumpitz. Das ist ihr sonnenklar.

Sie ist She. Sie geht. Das genügt.

 

Zu Mittag hört der Regen überraschenderweise auf, verkümmert nach und nach zu einem unangenehmen Nieseln. Vereinzelt reißt der von Horizont zu Horizont reichende Wolkenteppich auf, entblößt Flecken von nacktem Himmel. Ockerfarben und kränklich ist hinter den trüben Schleiern der Atmosphäre ein verschmierter Ball aus Licht erkennbar.

Sie erinnert sich an wolkenlose Tage und strahlendes Blau, an eine gleißende, heiße, scharf umrissene Sonne. Ein Anblick, den sie vermisst, der ihr seit dem Tag X verwehrt geblieben ist.

Die Hoffnung bleibt, dieses Bild wenigstens noch einmal in ihrem Leben genießen zu können.

She legt eine Rast ein, lässt sich auf einem Stein nieder, nimmt ihr Gepäck ab und bedient sich an ihren Vorräten. Seit der Begegnung mit der Bande schleppt sie reichlich Proviant mit. Kein Grund, sparsam zu sein.

Auch bei sorgfältig präpariertem Schlachtgut empfiehlt sich eine Lagerhaltung nur bedingt. Haltbarkeit ist ein kniffeliges Thema. Wie viele Menschen sind in der Lage, Fleisch zu pökeln? Welchen Unbilden war das Gewebe ausgesetzt, und wie haben sich diese auf die Qualität und auf die Lagerfähigkeit ausgewirkt?

Die Moderne hat das althergebrachte Wissen verdrängt, dem Fortschritt geopfert und damit der Verblödung Vorschub geleistet, was ihr jetzt auf den Kopf fällt.

Herkömmliche Lagerung birgt zahlreiche unberechenbare Gefahren, deshalb besser aufbrauchen, was da ist, solange es gut ist, lautet die Devise. Die Ausbeute ist ohnehin von eher fragwürdiger Qualität. Zum Glück ist sie keine Feinschmeckerin.

Lauer Wind fährt ihr durch das Haar, bewegt die langen, feuer- und rußfarbenen Strähnen, die ungekämmt, ungewaschen, staubig und verfilzt herabhängen. Praktisch, um darin Waffen zu verstecken, aber vom Körpergefühl her nicht so angenehm.

Durchbürsten, entfilzen, sorgfältig färben. Vielleicht schwarz, eventuell rot oder grün. Das würde ihr jetzt gefallen. Träume sind Schäume.

Es ist mild, beinah warm. Sie zieht die schwere Jacke aus, trägt darunter zwei ärmellose Shirts, das obere zerfetzt und grau, verdreckt. Tarnen und täuschen. Sie schnüffelt unter ihren Achseln, verzieht das Gesicht. Verschwitztes, feuchtes Achselhaar, schon länger nicht mehr gewaschen. Baden und rasieren, beides überfällig. Ort und Zeit, ein fatales Duo von Problemen.

Prinzessin.

Das hatte ihre Mutter wiederholt zu ihr gesagt, ihrer Vorliebe für ausgiebiges Duschen wegen, wenigstens zweimal am Tag. Ihr war nichts über das Gefühl der Sauberkeit gegangen.

So, wie sie immer darauf geachtet hatte, auch die verrückteste Frisur stets in Form zu halten. Sie war ebenso penibel gewesen, was das Enthaaren anging.

Ihre Mutter hatte sie als eitle Prinzessin bezeichnet, zwar mit einem Augenzwinkern und im Spaß, niemals vorwurfsvoll, aber doch mit einer Dosis Unverständnis.

Das war, vor … den merkwürdigen Schrecken, die später die Welt heimsuchten.

Prinzessin. So ein Unfug.

She steht auf, sieht sich um, zuckt mit den Schultern, geht beiseite. Sie zieht die Hosen runter, hockt sich neben ein Gebüsch, drückt und defäkiert. Was aus ihr rauskommt, fühlt sich richtig an, weder Verstopfung noch Durchfall, das stimmt positiv.

Ärgerlich ist nur, dass ringsum nichts Brauchbares zu finden ist, das als Klopapierersatz herhalten kann, also gibt es heute kein Abwischen des Hinterns.

Egal, dann muss es eben ohne gehen. Am Tagesplan steht ohnehin kein Rendezvous mit geilem Arschfick, also spielt das nicht die geringste Rolle. Und das unangenehme Gefühl – sie hat gelernt, damit umzugehen, und sich dafür umso mehr zu freuen, wenn sie über genügend Wasser und Seife verfügt, um sich gründlich zu reinigen.

Welch radikale Abkehr von ihrem vormaligen Verhalten, nach jeder Darmentleerung den Hintern zu waschen. Oh Zeiten, oh Wunder.

Sie uriniert in die hohle Hand – das verursacht eine Spritzerei, so kräftig, wie der Strahl hervorschießt – betrachtet ihren Harn.

Farbe und Geruch des Urins sind ein wenig zu intensiv. Sie tippt die Zungenspitze hinein. Würzig. Klar, sie trinkt zu wenig, die Flüssigkeit ist konzentriert. Mitnichten eine Neuigkeit.

Früher hat sie so viel getrunken, dass ihre Pisse wasserklar und frei von jeglichem Eigengeschmack war. Natursekt wie lauwarmes Wasser. Damit hatte sie zahlreiche lustige Dinge angestellt.

Es hat den Anschein, als wäre alles in Ordnung. Sie zieht die Hosen hoch, wirft einen kontrollierenden Blick auf ihre Fäzes.

Nicht die Spur von Blut, keine Verfärbung in Richtung schwarz, was auf innere Blutungen schließen ließe.

Konsistenz, Farbe und Odor wie unter diesen Umständen zu erwarten. Sie wühlt mit einem Zweig darin herum, um sich zu vergewissern.

She beendet die Routine und marschiert zurück zum Gepäck. Die intensive Beschäftigung mit ihren Ausscheidungen hat ihr einmal das Leben gerettet, und sie wird den Teufel tun, diese simplen Kontrollen zu vergessen.

Die nasse Hand wischt sie an der Hose ab. Ein dezenter Pissegeruch in ihrer Kleidung wird sie nicht umbringen, spielt ohnehin keine Rolle, wenn sie nicht mal den Arsch gereinigt hat. Dinner bei Kerzenlicht ist heute ausgefallen, Romantik steht in nächster Zeit nicht auf dem Tagesplan.

Schmunzelnd schultert sie ihr Gepäck und setzt den Weg fort.

 

Die anbrechende Nacht, unerwartet klar, lässt den Sternenhimmel in voller Pracht zur Geltung kommen. Sie hat im letzten Stockwerk einer Hausruine, fünf Etagen über dem Boden, ihr Quartier aufgeschlagen.

Die Sterne. Seit die Lichter erloschen, strahlen und funkeln sie in jenen seltenen, wolkenlosen Nächten. Sie findet es bedauerlich, sich nie mit Astronomie beschäftigt zu haben.

Sie kann keine Sternbilder benennen, aber selbst sie erkennt das Band der Milchstraße. Ein überwältigender, majestätischer Anblick, der die eigene Existenz zu einem klitzekleinen, kaum wahrnehmbaren Witz reduziert. Eine Spiralgalaxis mit 100 Milliarden Sternen und einem Durchmesser von 100.000 Lichtjahren.

So einfach ist die Sache. Die Wahrscheinlichkeit, dass Aliens vorbeikommen und sie von diesem verfluchten Planeten retten, ist von einer Unwahrscheinlichkeit, die sie gar nicht ausrechnen kann.

Wie unpoetisch sie doch ist. Sie hat, von Poe abgesehen, nie Lyrik gelesen. She war stets direkt und hat gesagt, was sie gedacht oder gesehen hat. Geradeheraus, ohne Rücksicht auf Befindlichkeiten. Ob Poesie ihr durch den Alltag helfen könnte? Sie grinst.

Nimmermehr.

Sie hat Holz gesammelt, ein Feuer angezündet und gegessen. Nun sitzt sie auf einem Teil von … etwas, das einmal einem Zweck gedient hat, der herzlich wenig mit Draufsitzen zu tun hatte. Sie wärmt sich.

Ihr Po juckt. Sie würde zu gern baden, mag das Gefühl des ungewaschenen Hinterns nicht. Eine Dusche wäre auch in Ordnung. Hauptsache genug Nass, um sich mit dem winzigen Stück Seife in ihrem Gepäck ordentlich einschäumen zu können.

Eventuell würde es morgen wieder regnen. Wenn die Temperatur mitspielt und es sich um einen ungefährlichen Regen handelt, kann sie sich nackt ins Freie stellen. Ebenso möglich, dass sie einen brauchbaren Tümpel findet. Einige Eimer Wasser, purer Luxus.

Sie steht auf, steckt die Finger in die Hosen, greift in den Schritt, schnüffelt. Oh ja, an der Sache mit der Hygiene sollte sie dranbleiben. Baden und Wäsche waschen – ein nobles Tagesziel.

Das Betasten hat sie erregt. She spuckt in die Hand, schiebt sie in ihr Höschen. Sie führt den Mittelfinger zwischen ihre Schamlippen. Die intime Berührung fühlt sich gut an, und sie spürt, wie sie darauf reagiert, feucht wird.

She legt sich auf den Rücken, spreizt die Beine und befriedigt sich. Sie rubbelt, zwängt zusätzlich ihren Zeige- und Ringfinger in die glitschige Möse, stemmt den Hintern hoch und die Absätze gegen den Boden, bewegt die Hüften.

Sie wälzt sich erregt auf den Bauch herum, hebt den Hintern erneut in die Höhe und fickt sich mit den Fingern, bis sie kommt. Sie fällt zur Seite und zuckt wie ein Fisch auf dem Trockenen, als sie von Orgasmen gebeutelt wird.

Erschöpft bleibt sie liegen, bis es ihr in der Abendluft kalt wird. Dann erhebt sie sich, geht zurück zum Feuer, legt sich unmittelbar daneben und schließt die Augen.

Die Hand, die sie in ihrer Möse hatte, liegt vor ihrer Nase, sie atmet den Duft ihrer Spalte ein. Sie mag den Geruch. Das Masturbieren hat gutgetan, aber es war nicht genug.

Sie möchte etwas, das sie ausfüllt, das in sie stößt, sie fickt. Eine unverseuchte Latte, stramm, warm, wohlriechend, einen Steifen, den sie mit der Zunge berühren kann, um das Lusttröpfchen abzulecken.

Einen Kerl, der das Ding meisterhaft beherrscht, der sie rannimmt, bis sie schweißgebadet zum Höhepunkt kommt. Wenigstens alle paar Wochen unbesorgt ficken, ein unvorstellbarer Luxus.

Tja. Sie unterdrückt ein Lachen. Da hat sie sich so über Weiber, deren Gier nach Schwänzen und die damit einhergehende Macht dieser Fleischwürste ausgelassen und ist selbst keinen Deut besser. Scheiß-Pimmel. Im nächsten Leben eine Lesbe sein, bitte, danke.

Sexuelle Erfahrungen mit Frauen hat sie schon mehrfach und mit Vergnügen hinter sich gebracht, und abgesehen vom fehlenden Penis mit Begleiterscheinungen wie Ejakulationen, die sie – warum auch immer – witzig findet, spricht nichts gegen eine Umorientierung.

Es erscheint ihr faszinierend, wie einfach die menschliche Natur ist. Sogar nach dem Ende der Welt, wenn es nur den Kampf ums Überleben zu bewältigen gilt, verlangen Lust und Sex ihr Recht.

Homo sapiens zu sein, heißt – und das zeigt sich auf dieser Stufe einer in die Steinzeit zurückgebombten Zivilisation besonders deutlich – Ficken und Fressen. Viel mehr ist da nicht. Alles andere, das gesamte Beiwerk, ist ein Bonus der Evolution.

Vielleicht war es nur logisch, dass das Experiment Mensch der evolutionären Entwicklung um die Ohren fliegen musste. Soviel zur täglichen Dosis Philosophie für Postapokalyptiker. Zurück zur Realität.

Tagesziel für morgen: Baden und reine Wäsche.

Wunsch für morgen: ein Schwanz.

Obwohl die Chancen diesbezüglich eher schlecht stehen.

In der alten Welt gab es eine selbst verursachte Risikosituation, eine Mischung aus Berechnung und Glücksspiel, die tödlich enden konnte und die man russisches Roulette nannte.

Dieser Tage ist das gesamte Leben eine derartige Situation. Inklusive Sex, der wohl gefährlichsten der mörderischen Spielarten.

Nein, sie wird nicht an ungefährlichen Sex rankommen.

Die Welt ist dreckig, elend, verkommen, abartig, mutiert und hundert andere düstere Dinge.

 

Kapitel 03

Trent starrte auf den nackten Körper zu seinen Füßen. Die Frau war von Kopf bis Fuß von blauen Flecken und Schwellungen bedeckt, wies zahlreiche Schnittwunden und Blutkrusten auf.

Sie war verdreckt, verschmiert, klebrig, roch nach Schmerzen und Schmutz, lag ohne Bewusstsein da. So, wie es aussah, hatte sie einen gebrochenen Unterkiefer. Das alles kümmerte ihn nicht im Geringsten.

Sein Adjutant stand neben ihm und sabberte vor unterdrückter Gier. Trent warf ihm einen angewiderten Blick zu. Der Mann war krank, ein sadistisches, perverses Schwein, das in der vorigen Welt in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gelandet und auf ewig weggesperrt gewesen wäre.

Hier jedoch konnte man dieses Wesen, das sich Clawfinger nannte, durchaus gebrauchen. Vorausgesetzt, man wusste, wie man diesen Sonderling lenkte. Es gestaltete sich nicht allzu schwer, wenn man den Bogen raushatte.

Man benötigte nur eine gewisse Abgebrühtheit, was verstörende Verhaltensweisen anderer Menschen betraf.

Trent, einer der führenden Missionare der Kirche von Ersie, wandte sich angewidert ab und überließ die Frau dem drohenden Schicksal. Er hatte sie benutzt, sich an ihr befriedigt und alles aus ihr gewonnen, was er brauchte, um ein Gefühl der Zufriedenheit zu erfahren.

Was nun mit ihr geschehen würde, gehörte zu den Dingen, die genau diese Distanz zur Menschlichkeit benötigten.

Er konnte hören, wie sich Clawfinger rittlings über die Frau beugte, um sie in den zerstörten Mund zu ficken.

Er bekam mit, wie dieser Irre dabei die Hände in ihr Fleisch grub und Löcher in ihren Körper riss, in Bauch, Brüste und Oberschenkel, während sie erstickte, röchelnde, würgende, unangenehme Laute von sich gab, wenn er seinen Schwanz bis zu den Eiern in Mund und Rachen vorschob.

Trent hatte vor langer Zeit einmal in einem Zoo eine Schlange beim Verschlingen einer Maus beobachtet. Das hatte ähnlich ausgesehen wie diese brutale, aufgezwungene Penetration.

Er brauchte nicht nach Wasserkopf zu schauen, dem massigen Riesen mit dem übergroßen Kopf und dem dämlichen Gesichtsausdruck, mit Armen und Beinen wie Baumstämme. Der Mann stand in unmittelbarer Nähe und sah mit weit aufgerissenen Augen zu.

Er hatte einen Rüssel von einem Schwanz, der aus den speckigen Hosen ragte und den er mit der Hand befriedigte.

Das riesige Organ, bei dem sich Trent unmöglich vorstellen konnte, wie es hart genug wurde, um senkrecht in die Höhe zu stehen, wurde von diesem dummen Mutanten eifrig mit ebenso mächtigen Pranken gerubbelt. Ein verstörender Anblick, der mehr an Sonden-im-Arsch-Aliens als an Menschen gemahnte.

Er verließ den Raum, stieg über die Schwelle, betrat das Innere des Tempels. Ein im Boden eingelassenes Wasserbecken beanspruchte den größten Teil des überdachten Innenhofs. Es war groß, extravagant in der Gestalt und mit Fliesen aus feinstem Carraramarmor ausgelegt, mit Goldintarsien geschmückt.

Das Becken hatte den Wandel der Welt bis zu diesem Tag ohne Schäden überstanden. Ein Bassin für Reiche, Überbleibsel einer untergegangenen Epoche, in der für eine winzige Oberschicht Dekadenz eine alltägliche Banalität dargestellt hatte.

Das Wasser wies keine Trübung auf, war rein und nahezu unverstrahlt, ein Schatz. Er blickte die zwei Stockwerke mit den umlaufenden Galerien hoch und verspürte Zufriedenheit.

Alles war so, wie es sein sollte: in bemerkenswert gutem Zustand. Wie es sich für einen Dom der Kirche des Gottchirurgen gehörte.

Er wechselte in einen Raum mit hoher, einstmals weißer, jetzt fleckiger Decke und einem Altar mit Doppelkreuz am Kopfende.

Davor hatte sich eine Gruppe Ersies eingefunden, um auf seine Befehle zu warten.

Was sich der Gottchirurg und Gründer der Kirche bei diesen Geschöpfen gedacht hatte, war Trent schleierhaft. Sie hatten durchaus ihren Nutzen, das gab er gern zu. Es gab viele, und ständig wurde Nachschub geschaffen.

Sie gehorchten, und sie zeichneten sich durch einen Mangel an menschlichen Gefühlen aus. Sie nahmen keinerlei Rücksicht auf persönliche Verluste, wenn sie sich in ein befohlenes Gemetzel stürzten.

Sie erschreckten und verwirrten ihre Gegner. Sie kannten kein Erbarmen, Flehen und Bitten lenkten sie nicht von ihren Opfern ab.

Sie waren die Sturmtruppen eines Gottes, der aus der Asche der Welt aufgestiegen war, um diese nach seinen Wünschen neu zu formen, so, wie dereinst der Christengott die Menschheit nach seinen Vorstellungen geformt hatte. Diese Macht erhob den Gottchirurgen zu einer wahren Gottheit, die ihre Jünger formte, wie es ihr gefiel.

Gequirlte Scheiße.

Er, Trent, verkörperte Gottes rechte Hand, und mit dieser Position konnte er für den Augenblick sehr gut leben, so simpel verhielt es sich.

Der Rest war religiöser Hokuspokus, der ihn nicht sonderlich kümmerte. Hin und wieder peppte er ihn wie empfohlen durch selbst erdachten Schwachsinn auf.

Von seinem Platz aus hatte er eine hervorragende Aussicht auf das Wachstum des Reiches. Er wollte gar nicht höher hinaus.

Weltreiche entsprangen blutigen Geburten, wuchsen unter Einsatz von brutaler Gewalt heran. In diesem Fall steckten sie erst in den Presswehen. Das Kind hatte noch nicht das Licht der Welt erblickt, und ein Kreuzstich zur Erleichterung der Schmerzen stand nicht zur Verfügung.

Mehr als genug Potenzial, damit Dinge schiefgehen konnten.

Er runzelte die Stirn, als er die Unruhe der Anwesenden bemerkte. Ersies, was für irritierende Geschöpfe. Allerdings war tatsächlich etwas anders. Er sah die Gruppe genauer an und entdeckte unter all den vertrauten Fratzen ein fremdes Gesicht.

Sieh an, ein Bote …

»Ruhe!«, befahl er lautstark. Das nervöse Gezappel und Geflüster verstummte.

Auch das gefiel ihm an den Ersies ausnehmend gut: ihr Wille zum Gehorsam. Nicht hinterfragen, einfach tun. Wie es sich für brave Helferlein gehörte.

Jedes Ding hat zwei Seiten. So eine Apokalypse war selbstredend eine beschissene Angelegenheit, aber es gab durchaus als positiv zu vermerkende Nebeneffekte.

»Was ist los?«, fragte er, wohl wissend, was Sache war.

Das fremde Ersie trat an ihn heran und überreichte ihm einen verschraubbaren Metallzylinder. Er packte den Behälter, griff in sein Gewand und holte einen Schlüssel hervor. Damit öffnete er das Schloss, schraubte den Zylinder auf und zog die Papierrolle darin heraus.

Eine Nachricht vom Gottchirurgen. Stirnrunzelnd las er die Mitteilung mehrmals, ehe er resigniert seufzte, den im Rohr befindlichen Stift hervorholte, auf das Papier kritzelte und dieses zurück in den Container expedierte.

»Du kannst gehen«, sagte er, und das Ersie nahm den Transportbehälter entgegen, verbeugte sich und trabte davon. Trent sah ihm nachdenklich nach.

Das waren die Schattenseiten an der Arbeit für den Gottchirurgen. Manche der Aufgaben hatten einen faden Beigeschmack, den es zu akzeptieren galt. Diese Sache schmeckte nach Sinnlosigkeit.

Den Teufel würde er tun und sich beklagen oder Kritik äußern. Der Dickhäuter lag viel zu oft richtig, als dass man seine spleenigen Gedankengänge einfach abtun konnte.

Der Mann dachte in größeren Maßstäben als alle Menschen, denen Trent je begegnet war.

Wenn der Gottchirurg der Meinung war, ihn auf die Jagd nach Trugbildern schicken zu müssen, sollte es eben so sein. Vielleicht wusste der Pachyderm etwas, das Trent nicht wusste. Und wenn es, wie jetzt, erforderlich war, eine Art inquisitorischen Eingreiftrupp loszuschicken, wer war er schon, den Gottchirurgen zu hinterfragen, wo es ihm doch offenkundig an Wissen mangelte?

Den naiven und weltfremden Gedanken, dass eine Religion eine friedliche Sache sein könnte, fand er ohnehin zum Lachen. Das war Religion in keiner Welt gewesen. Glauben und Krieg gaben sich stets ein Stelldichein.

Er streckte die Hand gleich einer Waffe einem Ersie entgegen.

»Du. Lass Clawfinger in mein Büro kommen«, befahl er.

Damit verließ er das fast sakral anmutende, ehemalige Luxusgebäude, das entschieden anderen als heiligen Zwecken gedient hatte, durch einen Nebeneingang und marschierte den holprigen Weg hinauf zum Hügel, zur Residenz.

Über der Kleinstadt thronte ein verwitterter, verwinkelter und unheimlicher Riesenbau mit gotischer Fassade, gesprenkelt mit schwarzen Fensteröffnungen.

Das Haus entsprach nicht der Art, an der Trent Gefallen fand, er bevorzugte klarere Linien. Aber Aussicht und Lage waren großartig und repräsentativ.

Ringsum befanden sich luxuriöse Anwesen, die sich unaufwendig renovieren ließen, um eines der bedeutenden Zentren der Kirche des Gottchirurgen zu schaffen – und damit den Grundstein für eine neue Zivilisation zu legen.

Der perfekte Ort, um eine Führungselite anzusiedeln. Glanzvoll, beeindruckend, doch abseits genug gelegen, um den Pöbel fernzuhalten. Die ersten Schritte in die richtige Richtung hatte er gemacht.

Trent stapfte die Treppen hinauf in jene Räume, die er als Büro annektiert hatte. Vier Sklavinnen warteten auf ihn. Er nahm sie kaum wahr. Für ihn stellten sie nicht mehr als Einrichtungsgegenstände dar. Möbel flüchteten nicht. Sie nutzten sich ab, wurden entsorgt und ersetzt.

Nach allem, was er den Frauen bisher angetan hatte, nachdem er sie physisch und psychisch missbraucht und gedemütigt hatte, sahen sie sich außerstande, abzuhauen, selbst wenn sie die Chance dazu bekommen hätten.

Die Angst vor den Folgen, die ihnen eingeimpft war, hielt sie gefangen. Er brauchte nichts zu tun, um sie zu halten. Perfekt abgerichtetes Inventar.

Es hatte unleugbar positive Seiten, im Dienste des Gottchirurgen zu stehen. Frauen, genügend Essen und Wasser, eine Armee. Luxus pur. Er hatte Freiheiten, musste sich weder in Gefahr begeben, noch allein den Unbilden der Welt ausliefern.

Er wäre verrückt gewesen, das wegzuwerfen, auch wenn ihm die eher unsinnigeren Ideen, denen der Kirchenfürst nachhing, am Arsch vorbeigingen. Alles in allem hatte er ein besseres Leben als in der guten, alten Zeit.

Der Mann mochte wahnsinnig sein, aber er wusste, was er tat. Er hatte einen Plan und die Mittel, um ihn umzusetzen. Solange Trent einen Vorteil sah, würde er den Teufel tun und sich bestimmt nicht absetzen. Das konnte er tun, sobald die Sache den Bach runterginge, wonach es im Augenblick absolut nicht aussah.

Er wedelte flüchtig mit einer Hand, und eine der Frauen setzte sich in Bewegung. Mit einem wohligen Seufzen ließ er sich auf dem ramponierten Chefsessel hinter dem Schreibtisch nieder und sah dem Mobiliar zu, wie es sich in Position brachte. Wie er es ihr beigebracht hatte.

Immer wieder schön zu beobachten, dieser Gehorsam.

Clawfinger und sein unvermeidlicher Schatten Wasserkopf traten durch die Tür.

»Der Gottchirurg hat uns eine Aufgabe gestellt, und du, mein Freund, wirst dich darum kümmern«, sagte er anstelle einer Begrüßung.

Clawfinger grunzte.

Dem verrückten Henker mit Floskeln und Einleitungen zu kommen, wäre kontraproduktiv gewesen. Das hätte den Mann nur verwirrt. Simple Fakten, damit konnte er umgehen.

Wasserkopf hingegen war nicht einmal zuverlässig in der Lage, den simpelsten Anweisungen Folge zu leisten. Auf eine vertrackte Art – der Teufel sollte ihn holen, wenn er verstand, wie das zuging – ergaben die beiden zusammen einen leistungsfähigen, irren Psychopathen von Adjutanten.

Eines der Rätsel dieser abgefuckten Welt.

Nö, korrigierte sich Trent amüsiert, das ist die neue, verbesserte, mutierte Natur, Version 2.5. Bizarr, gewalttätig, erbärmlich, brutal. Etwas, das Darwin und Nietzsche schwer beeindruckt hätte.

»Die Sache ist einfach. Du kennst doch die Legende von dem Schiff, das an einer Küste auf Passagiere wartet, um sie in ein unverseuchtes Land zu bringen.«

»Hmpf«, machte Clawfinger. Wer hatte nicht von dieser blöden Geschichte gehört?

»Fang Leute ab, die dorthin wollen, und belehre sie darüber, dass das Boot ein Märchen ist.«

Unter dem Tisch, zwischen den Beinen, ging derweil die Sklavin an die Arbeit. Sie war die schmächtigste seiner Frauen, zart, einen Kopf kleiner als er, mit schlanken Fingern. Sie hockte auf ihren Fersen und nestelte an den Beinkleidern herum, öffnete Knopf für Knopf den Eingriff, befreite mit einem tollkühnen Manöver den Schwanz aus den Hosen.

Clawfinger ließ sich Trent gegenüber auf einen Sessel fallen. Das Holz knarzte verdächtig. Von der Besucherseite aus war nicht sichtbar, was hinter und unter dem Tisch abging. Aber das hätte ihn ohnehin nur mäßig interessiert.

Seit er nahezu ohne Einschränkung seinen ganz eigenen Perversionen nachgehen konnte, war sein Interesse an der Abartigkeit anderer Leute drastisch zurückgegangen.

Vor wenigen Jahren noch wäre er am Boden gesessen, geifernd und kichernd zusehend, sich vielleicht sogar einmischend, um die Show mit rotem Lebenssaft zu würzen.

Mittlerweile bestand für solche Interaktionen keine Notwendigkeit mehr. Er hielt die Finger gespreizt, betrachtete die metallenen Klauen daran, leckte von dem angetrockneten Blut. Ein faszinierender Geschmack, der ihn jedes Mal aufs Neue in seinen Bann zog. Er bekam nie genug davon, und es gab so viel Nachschub, wie er wollte.

Das Leben war schön. Die Welt war schön. Schöne neue Welt. Schönes neues Leben.

Mit Wasserkopf an der Seite wünschte sich Clawfinger nichts als das, was er ohnehin besaß. Sogar die dummen Aufgaben, mit denen Trent ihn konfrontierte, machten ihm Spaß.

Er konnte sie mit all der kreativen Freiheit durchführen, die ihm zur Verfügung stand, und das war gut so. Was wollte er mehr?

Trent beobachtete Clawfinger, wie dieser das Blut von seinen Krallen leckte, weilte dabei jedoch in Gedanken woanders. Er konzentrierte sich auf seinen Schwanz. Auf das Gefühl der Finger, die an ihm auf- und abglitten, nass vom Speichel, den die Sklavin in dicken Schlieren aus dem Mund tropfen ließ. Auf die Lippen, die sich um die Eichel stülpten und gemächlich den Schaft hinabrutschten. Auf die Zunge, die ihn umspielte, während sein Ding fast zur Gänze in ihren Hals abtauchte und ihre Hände seine Eier umfassten und sie sachte drückten.

Endlich erwuchs ihm ein Harter. Er hatte speziell zu Beginn solcher Liebesdienste Schwierigkeiten damit, eine Erektion zu erlangen. Aber die Kleine stellte sich verdammt gut an. Es war nicht einfach, Trent eine Latte zu verpassen.

Trent flippte zwar nicht mehr so aus, dass er eines der Möbel umbrachte, in dieser Hinsicht hatte er sich in den Griff bekommen. Dafür verpasste er ihnen von Zeit zu Zeit eine gehörige Abreibung, wenn sie ihn nicht so steif bekamen, dass er zum Schuss gelangte.

»Hm«, machte Clawfinger, als er einen kleinen Gewebefetzen entdeckte. Er pickte ihn mit den graugelb belegten, löchrigen Zähnen auf, kaute darauf herum. Schmeckte nicht nach sonderlich viel, eben nach einer trockenen Faser Fleisch.

Von welchem Körperteil es stammte, wusste er nicht mehr. Sonst hätte er sich eine bestimmte Geschmacksnote einreden können. Egal.

Er grinste zufrieden.

»Ich kümmere mich um die Sache, alles klar, Boss«, gab er mit Verspätung zurück.

Trent war hart und wurde noch steifer, als die Sklavin mit zwei Fingern den Schwanz an der Wurzel packte und abwechselnd zudrückte und losließ.

Dabei blies sie ihn rhythmisch und hatte ihre zweite Hand zwischen seine Beine geschoben, um ihn rund um das Arschloch zu massieren. Sie gab sich alle Mühe.

Ihre Arbeit erzwang zwar eine ungemütliche Haltung beim Sitzen, aber diese Behandlung war es wert. Sie war fantastisch, und Trent spielte mit dem Gedanken, sie für ihre erfolgreichen Dienste zu belohnen. Nein, doch nicht.

Niemand belohnte einen Schrank dafür, dass er tat, wozu er gedacht war. Tadellos funktionierendes Inventar behandelte man ohnehin gut, da brauchte es keine zusätzliche Anerkennung.

Er spürte, wie er weiter anschwoll und Druck aufbaute, der unweigerlich in eine Entladung münden würde.

»So ist es, und so wird es bleiben. Nun …«

Trent zuckte und spritzte mächtig ab.


Urheberrechtlich geschützter Text, alle Rechte vorbehalten. (c) copyright 2016 by Author.


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