28/03/2024

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Manchmal denke ich, deshalb könnte ich sein

[REZENSION]: Jack Ketchum: Beuterausch

Inhalt: Sie ist die letzte Überlebende eines Kannibalenstamms, der jahrzehntelang die Ostküste der USA in Angst und Schrecken versetzte. Geschwächt und verwundet gerät sie in die Gewalt des tyrannischen Familienvaters Cleek. Der Sadist Cleek versucht, die wilde Frau zu »zähmen«, wobei er seine Familie als Komplizen missbraucht. Doch er hat den Überlebenswillen seiner Gefangenen unterschätzt. Bevor sein Experiment zu Ende ist, werden alle Unaussprechliches durchleiden müssen.

Jack Ketchum, Lucky McKee: Beuterausch

Beuterausch von Jack Ketchum

(OT: The Woman, 2011) Heyne 01/2012; ISBN: 978-3-453-67615-2; Seiten: 286; Übersetzung: Marcel Häußler; Ausstattung: Taschenbuch, mit Sequel Erzählung von Jack Ketchum

Ein schwacher Jack Ketchum ist immer noch um Welten besser als viele gute Werke anderer Autoren. Die Schwäche dieses Buches trägt einen Namen, nämlich Lucky McKee. Der Co-Autor ist auch der Regisseur der Verfilmung und die sonst ungebremste Grausamkeit von Ketchum ist hier soweit gemildert worden, um die Geschichte gerade noch als beinharten Thriller ins Kino zu bringen.

Der Film hat ziemlich für Aufsehen gesorgt ob seiner immer wieder hineininterpretierten Frauenfeindlichkeit. Kaum einer der Kritiker hat es jedoch für Wert befunden festzustellen, dass wir hier den dritten Band einer Geschichte vorliegen haben, nach den beiden Vorgängern Beutezeit und Beutegier. Auch Jack Ketchum wurde viel zu wenig ins Spiel gebracht – das hätte die Vorwürfe relativiert.

Ketchum ist nicht frauenfeindlich, er schildert einfach nur Männer. Und seien wir uns ehrlich, Männer können so richtig widerwärtige Scheißkerle sein. Nichts anderes führt uns Ketchum vor Augen, egal ob in Romanen nach wahren Begebenheiten oder den frei erfundenen Geschichten.

Beuterausch ist eine gute Geschichte über einen abgrundtief abartigen Familienvater, der eine Frau in seinen Keller sperrt, die offensichtlich eine Wilde ist und der sich an ihr austobt, indem er sie zivilisieren will. Wie immer sind ausgeprägt misogyne Arschlöcher mit sadistischer Ader nicht fähig, über ihren eigenen Horizont zu blicken und zu erkennen, welch katastrophaler Fehler ihnen unterlaufen ist.

Wie groß der Fehler tatsächlich ist, kann man in den vorigen Büchern nachlesen – aber Vorsicht, die sind wirklich ultraharter Stoff. Großartige Lektüre, aber abartig grausam. Schnell und spannend und, das macht sie so unheimlich, sogar bis zu einem gewissen Grad glaubwürdig.

Ed Gein diente wurde zur literarischen Figur des Buffalo Bill in Das Schweigen der Lämmer umgearbeitet. Der Kannibale von Rotenburg wurde ebenso berühmt wie davor Jeffrey Dahmer und 2007 gab es Kannibalismus sogar in Wien. Die letzten Jahrzehnte hatten diesbezüglich so einiges im Angebot.* Dieser kurze Überblick hier tut ein übriges, um die Geschichten von Jack Ketchum mit einem Hauch grausigem Realismus zu untermauern.

So gesehen würde alles passen. Aber Lucky McKee bremst das Buch, das sich deutlich langsamer liest als die vorigen Ketchum Romane. Es ist immer noch grausam und unverkennbar Ketchum, aber es fehlt der Brechreiz-Faktor, der sonst vorhanden ist, die bedingungslose, konsequente Grausamkeit.

Ketchum scheint die Schwäche durchaus wahrgenommen zu haben – so gibt es hintendran noch einen Nachschlag in Form einer Fortsetzung, die dort ansetzt, wo der Roman endet. Und diese Erzählung verdeutlicht den Unterschied zu den ungeschickten Würstelfingern von Lucky McKee, der mit seinen plumpen Griffeln den Roman beschädigt hat. Denn die Geschichte sitzt. Perfekt. So wie es der Leser von Ketchum gewohnt ist.

Beuterausch ist mitnichten ein schlechtes Buch. Es wäre sehr gut, wenn es von einem anderen Autor stammte. Es ist etwas enttäuschend, weil es jedoch von Jack Ketchum stammt, von dem man weit höhere Qualität gewohnt ist. Es ist trotzdem lesenswert, weil es die Geschichte aus Beutezeit und Beutejagd fortführt und mit einer ausgezeichneten Erzählung ergänzt.

Kurz gesagt:

  • schwächer als die Vorgänger
  • eigentlich gute Geschichte
  • schlechter Co-Autor

Fazit: auch ein schwächerer Jack Ketchum ist immer noch ein gut.

* ein informativer historischer Abriss zum Thema Kannibalismus findet sich in GEO 04/2011


— Dead River Trilogie: Bd. 1: Beutezeit; Bd. 2: Beutegier; Bd. 3: Beuterausch


— Jack Ketchum im Interview mit Brian Keene: [– Der Brian Keene Podcast: The Horror Show –]


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